Agnes Weilandt

Prof. Dr.-Ing. Agnes Weilandt hat ihr Bauingenieurstudium an der RWTH Aachen 1999 abgeschlossen. Im Rahmen des Studiums verbrachte sie ein Jahr an der École des Ponts et Chaussées in Paris, Frankreich. Von 2001 bis 2005 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart. Im Rahmen der Forschung promovierte sie 2007 mit dem Thema Adaptivität bei Flächentragwerken. Vor und parallel zu ihrer Tätigkeit an der Universität hat sie von 1999 bis 2004 bei Werner Sobek Ingenieure in Stuttgart gearbeitet. Agnes Weilandt ist seit März 2006 bei Bollinger + Grohmann beschäftigt und seit 2011 Partnerin. Ihr Schwerpunkt ist die Bearbeitung von Projekten mit komplizierter Geometrie, die Interaktion zwischen Tragwerk und Fassaden und die Fassadenplanung. Seit 2010 lehrt sie an der Fachhochschule Frankfurt als Professorin für Baustatik, Baumechanik und Konstruktiven Ingenieurbau.

Das Projekt

Rolex Learning Center, Lausanne

Die architektonische Landschaft des Rolex Learning Centers, die eine Fläche von 121,5 m × 162,5 m umfasst, wird durch zwei Schalenkonstruktionen mit 80 m bzw. 40 m Spannweite und dazwischen liegende flache Deckenbereiche gebildet. Überdacht wird diese Landschaft durch ein Stahldach, das auf Stützen im Raster von 9 m × 9 m aufliegt. Unter dem Regelgeschoss ist eine eingeschossige Tiefgarage angeordnet, die zusätzlich Raum für Haustechnik, Archive und sonstige Nebenräume bietet.

Da anders als bei üblichen Schalenkonstruktionen die Schalen des Rolex Learning Centers nicht als Dach, sondern als Boden des Gebäudes dienen, wurden an die Geometrie der Schalen besondere Anforderungen gestellt. Sie verlangten unter anderem die Einhaltung von maximalen Steigungen und somit einen geringen Stich der Schalen. Bei der großen Schale beträgt dieser z. B. mit h = 4,85 m und l = 85 m lediglich h/l = 1/17,5. Weiterhin mussten Fluchtweglängen, Sichtachsen und der Anteil der gering geneigten Flächen respektiert werden.

Das Untergeschoss des Rolex Learning Centers besteht aus mehreren Bauteilen (Decke, Wände, Stützen, Bodenplatte, Pfahlgründung), welche allesamt aus Stahlbeton erstellt wurden. All diese Bauteile sind unter sich sowie mit den darüber liegenden Schalen monolithisch verbunden.

Die Decke über dem Untergeschoss übernimmt zwei Hauptfunktionen. Zum einen bildet sie den Abschluss des darunter liegenden Untergeschosses, und zum anderen beherbergt sie die Zugbänder der darüber liegenden Schalentragwerke. Die Zugbänder überdrücken die horizontalen Auflagerkräfte aus den darüber liegenden Schalen. Unterhalb der Schalenauflager sind zudem im Untergeschoss Wände so angeordnet, dass die vertikalen Lasten aus den Schalen direkt in die Gründung abgeleitet werden können. Die Gründung des Gebäudes erfolgt über Pfähle und eine elastisch gebettete Bodenplatte.

Für die Ausführungsplanung musste die komplexe dreidimensionale Geometrie so abgebildet werden, dass sie auf der Baustelle ausgeführt werden konnte. Zudem mussten Bewehrungsdetails entwickelt werden, die den effektiven Einbau der erforderlichen hohen Bewehrungsmengen, die bei den Bögen der großen Schale bis 470 kg/m³ betragen, ermöglichten.

Das Projekt in Zahlen

Architektur SANAA Kazuyo Sejima & Ryue Nishizawa, Tokio, Japan
Tragwerksplanung Bollinger + Grohmann, Projektleitung Agnes Weilandt
Ort Lausanne, Schweiz
Zusammenarbeit mit Walther Mory Maier Bauingenieure AG, Basel
Beratende Ingenieur*innen SAPS Sasaki and Partner, Tokio (Vorplanung)
Nutzfläche 37.000 m²  BGF 88.000 m²  BRI 131.000 m³ 
Fertigstellung 2010

Porträt

Planerisches Spannungsfeld

Das Rolex Learning Center (RLC) in Lausanne geht weit über das hinaus, was im Hochbau üblich ist. Mit seinen 80 Meter weit spannenden Schalen ist es ein halber Brückenbau und die Schalen wiederum eine Mischung aus Schale, Bogen und Platte.

Ich glaube, jede*r hat im Berufsleben ein Keyprojekt, ein Projekt, mit dem man in der eignen beruflichen Entwicklung aber auch mit dem Büro einen ganz entscheidenden Schritt gemacht hat. Das Rolex Learning Center in Lausanne war so ein Keyprojekt für mich.

Für Agnes Weilandt ist es wichtig, den Projektgedanken zu durchdringen und dann entsprechend ein Tragwerk zu entwickeln, das diesen Gedanken weiterträgt. Es ist ein Abwägen und Aushandeln von Formfragen und Anpassungen an tragwerkstechnische Erfordernisse.

Die Zusammenarbeit von Architektur und Ingenieurwesen erfordert ein hohes Maß an Kommunikation und dem daraus resultierenden Verständnis der jeweils anderen Seite. Das Spannungsfeld zwischen einem aus statischer Sicht perfekten Tragwerk und optimaler Architektur macht das Gebäude erst interessant.

Agnes Weilandt ist früh klar, dass sie Bauingenieurin werden möchte. Dazu tragen ihr Vater, selbst Bauingenieur, und weitere Ingenieur*innen in der Familie bei. Ihr Interesse für Mathematik und ihre ausgeprägte Affinität zum Problemlösen prädestinieren sie für die getroffene Wahl. Dennoch stellt sie ihren Werdegang zuweilen in Frage, geht ein Jahr nach Frankreich und belegt an der École des Ponts et Chaussées in Paris unter anderem das Fach Unternehmensorganisation. «Das hat mir sehr gut getan, da ich so festgestellt habe, dass das Bauingenieurwesen doch genau richtig für mich ist.»
Während des Studiums gibt es nur wenige Kommilitoninnen. «Ich habe gemerkt, dass wir nur wenige Frauen sind und beschlossen, das in Ansporn umzumünzen.» Ihr Weg führt in die Tragwerksplanung Hochbau, wo sie im Büro von Werner Sobeck den spannenden Diskurs zwischen Architektur und Tragwerk kennenlernt.

Die Chance, sich noch einmal theoretisch mit Tragwerksplanung auseinanderzusetzen, ergibt sich für Weilandt am Institut für Leichtbau und Konstruktion in Stuttgart (ILEK). Genau diese Reihenfolge von praktischer Erfahrung und anschließender wissenschaftlicher Durchdringung empfindet sie als sehr bereichernd. Mittlerweile ist sie seit 15 Jahren für Bollinger + Grohmann tätig und seit bereits 10 Jahren Partnerin des Unternehmens. Sie bestärkt Mitarbeiterinnen darin, ihre eigene Rolle zu finden, zu lernen wie «frau» agiert, ohne die vorhandenen Muster zu kopieren.

Agnes Weilandt gelingt es mit Unterstützung ihres Mannes, ihre drei Kinder mit dem Job zu vereinen. Zusätzlich ist sie seit mittlerweile 10 Jahren auch Professorin für Baustatik, Baumechanik und konstruktiven Ingenieurbau an der Frankfurt University of Applied Sciences. Sie beobachtet bei ihrem und anderen Werdegängen, wie wichtig es ist, offen zu sein, Chancen wahrzunehmen und Spaß an der Arbeit zu haben. «Das A und O, um erfolgreich zu sein, ist, dass man diese Komponenten lebt. Erfolg ist nicht das Ziel, der kommt dann von alleine.»

 

Im Gespräch mit Agnes Weilandt