Madeleine Weber ist Prokuristin und Fachbereichsleiterin für Erdbebensicherheit im Ingenieur- und Planungsbüro A. Aegerter & Dr. O. Bosshardt AG in Basel.
Sie studierte Bauingenieurwesen an der ETH Zürich und schloss 2001 als Diplomingenieurin ab. Anschließend arbeitete sie von 2001 bis 2004 als Projektingenieurin und -leiterin mit dem Schwerpunkt Konstruktiver Ingenieurbau und Erdbebensicherheit bei Walter Mory Maier Bauingenieure AG in Basel und wechselte 2004 zur Rapp Infra AG, Basel. Seit 2009 ist sie bei Aegerter & Bosshardt beschäftigt. In zahlreichen Weiterbildungen im Fachgebiet Erdbebensicherheit hat sie sich seit 2004 ein weitreichendes Spezialwissen erarbeitet. Sie ist Mitglied der Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik (SGEB) sowie des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA).
In der Schweiz muss erdbebensicher geplant und gebaut werden. Das moderne Wissen über die Erdbebensicherheit fand jedoch erst in den 1990er Jahren Eingang in die Schweizer Baunormen. Als Madeleine Weber 2013 den Auftrag erhielt, das Gotthelf-Schulhaus auf Erdbebensicherheit zu überprüfen, konnte sie zwar auf SIA-Merkblätter und Dokumentationen zurückgreifen, ihr Wissen erwarb sie aber vor allem durch selbstständige Weiterbildung und über den Austausch in Netzwerken.
Für das Verhalten des Gotthelf-Schulhauses im Erdbebenfall unterzog Weber das Gebäude einer verformungsbasierten Analyse, für die sie ein 3D-Modell mit einer entsprechenden Software modellierte. Als Ergebnis wurden die querbeanspruchten Giebelwände in der Gebäudemitte (lokales Verhalten) sowie die tragenden Innenwände mit inhomogenen Wandstärken aufgrund eingebauter Steigeschächte für eine Luftzirkulationsheizung (globales Verhalten) als seismische Schwachstellen identifiziert. Als Ertüchtigungsmaßnahmen wurden die Giebelwände mit Stahlprofilen am Boden des Daches und zusätzlich mit einer Stahlkonstruktion mit dem Holzdachstuhl verbunden und somit die horizontale Halterung generiert. Die Steigeschächte in den tragenden Innenwänden wurden in definierten Bereichen mit einem pumpbaren Betonmörtel geschlossen. Dabei musste die Festigkeit des Mörtels nach dem Abbinden und der Betonierdruck während des Füllens beachtet werden, da aufgrund der Wandverkleidungen in den Klassenzimmern auf eine stützende Schalung verzichtet werden musste.
Bauherr Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt, Städtebau & Architektur, Hochbauamt
Architektur Flück und Hünerwadel, erbaut 1899–1902
Überprüfung Erdbebensicherheit 2013
Erdbebenertüchtigung 2014–2016
Planung A. Aegerter & Dr. O. Bosshardt AG, Basel
Projektleitung Madeleine Weber
Erdbebeningenieur*innen untersuchen in diesem anspruchsvollen Teilgebiet des Bauingenieurwesens das Schwingungs- und Tragverhalten von Bauwerken bei Bewegungen und stellen Überlegungen zur Gestaltung und Ausführbarkeit der Konstruktion in Hinblick auf das physikalische Verhalten unter Erdbeben an. Aber nicht nur die Erarbeitung eines erdbebengerechten Tragwerkentwurfs für Neubauten beschäftigt sie, sondern ebenso die Überprüfung und Ertüchtigung von Bestandsgebäuden. Darauf hat sich Madeleine Weber spezialisiert.
Die Maßnahmen zur Ertüchtigung für die Erdbebensicherheit von Bestandsgebäuden müssen weitgehend unsichtbar bleiben, da es sich in vielen Fällen um denkmalgeschützte Objekte handelt und diese nachträglichen Veränderungen nicht stören dürfen. Die Sichtbarkeit von Erbebeningenieur*innen zu stärken, ist daher besonders herausfordernd.
Inzwischen ist Weber u.a. als Erdbebenexpertin für das Hochbauamt des Kantons Basel-Landschaft tätig und prüft, in welchem Umfang und mit welcher Priorität Bestandsgebäude einer Erdbebenüberprüfung unterzogen werden müssen.
Madeleine Weber besucht ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium und entwickelt eine Vorliebe für naturwissenschaftliche Fächer. Sie weiß schon sehr früh, dass sie einen technischen Beruf ergreifen will. Nach einem Orientierungsbesuch an der ETH Zürich schreibt sie sich als Studentin des Bauingenieurwesens ein, konzentriert sich auf die Fachsparte Konstruktion und Hochbau und widmet ihr Interesse dem Thema Erdbebensicherheit. Gleich mit dem Berufseinstieg bearbeitet sie Projekte zur Erdbebenertüchtigung und widmet sich vorrangig der Bestandsüberprüfung und -sicherung.
Von der Untersuchung des Bestandes geht eine große Faszination aus. Anhand von 100 Jahre alten Plänen herauszufinden, wie ein Gebäude im Aufbau konzipiert wurde und das Tragwerk und die Konstruktionsweise genau zu analysieren, um dann geeignete Sicherungsmaßnahmen und konstruktive Details zu entwickeln, ist sehr spannend.
Für Weber ergeben sich bei der Bearbeitung des Gotthelf-Schulhauses neben den fachlichen vor allem organisatorische Herausforderungen, denn die Untersuchungen und Ausführungen zur Ertüchtigung können nur in den schulfreien Zeiten und vor allem in den Sommerferien erfolgen. Es gelingt ihr, die Planung und Durchführung als Projektingenieurin und -leiterin mit einem Teilzeitpensum von 40 Prozent der Arbeitszeit zu bearbeiten. In einem solchen Modell sei man auf ein gutes Beziehungsnetzwerk und erprobte Teamarbeit angewiesen, betont Weber und darin könnten sich nicht nur Frauen, sondern eben auch Männer gleichberechtigt für den Beruf und die Familie engagieren. Sie ist überzeugt, dass Leitungspositionen und interessante Projekte mit einem geringeren Arbeitspensum übernommen werden können. Sie wünscht sich jedoch, dass Familienarbeit mehr Unterstützung und Anerkennung in der Gesellschaft erfährt, denn nach der Berufsarbeitszeit ginge die Arbeit ja weiter. Vor allem Frauen sollten sich gegenseitig stärken und die unterschiedlichen Modelle, die die Vereinbarkeit ermöglichen, in all ihren zeitlichen und persönlich gewählten Varianten gleichermaßen schätzen.