Valentina Kumpusch studierte Bauingenieurwesen an der ETH Zürich und arbeitet ab 1998 für Ernst Basler + Partner im Projektmanagement. 2001 übernahm sie für Implenia die Gesamtprojektleitung der Arbeitsgemeinschaft Bahntechnik für den Lötschbergtunnel. Bei der Zulaufstrecke des Brenner-Basistunnel und für die Durchmesserlinie in Zürich war sie in ähnlichen Funktionen im Auftrag der österreichischen Rhomberg-Bahntechnik-Gruppe tätig. Seit 2013 ist Valentina Kumpusch Großprojektleiterin für die zweite Röhre des Gotthard-Straßentunnels und Projektleiterin für die Sanierung der Gotthard-Passstraße.
Die geplante zweite Tunnelröhre durch den Gotthard weist eine Länge von 16.866 m und einen Ausbruchsdurchmesser von ca. 12,30 m auf. Sie verläuft größtenteils parallel zur bestehenden, im Jahr 1980 eröffneten, ersten Röhre. Nach dem Neubau der zweiten Röhre entstehen zwei einspurig befahrene, parallele Tunnelröhren mit je einer Fahrspur und einem Pannenstreifen von jeweils 3,80 m Breite, einem 5 m hohen Fahrraum, sowie ein mittig angeordneter Service- und Infrastrukturstollen.
Die Tunnelröhren werden in regelmäßigen Abständen untereinander verbunden. Im Süden in Airolo als auch im Norden in Göschenen werden die bestehenden Tunnelportale verwendet. Zu einem wesentlichen Planungsfaktor zählt die Materialbewirtschaftung und Materiallogistik des anfallenden Ausbruchmaterials. Dies fällt vorwiegend aus den Hauptvortrieben, aber auch aus Nebenbauwerken, Zugangsstollen und Kavernen an. Insgesamt fallen knapp 7,4 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial an, je zur Hälfte am Nord- und Südportal. Die ausführlich dokumentierte Geologie erlaubt eine gute Prognose der effektiven Wiederverwertbarkeit.
Rund 1,8 Millionen Tonnen können nach der Aufbereitung als Zuschlagstoffe für den Beton verwendet werden und rund 5,4 Millionen Tonnen unbelasteten Materials kommen im Rahmen von Schüttungen oder Renaturierungen wieder zum Einsatz.
Ort Zwischen Göschenen und Airolo, Schweiz
Bauherr*in Bundesamt für Strassen, ASTRA
Bauzeit 2020 – 2029
Länge 16,9 km
Valentina Kumpusch ist Gesamtprojektleiterin für die zweite Röhre des Gotthardstraßentunnels in der Tessiner Filiale des Schweizer Bundesamtes für Strassen (Astra). Was in ihrem Job-Titel mitklingt, ist genau das, was sie an ihrer Arbeit reizt: große Projekte mit komplexen Koordinationsaufgaben bewältigen.
Der Tunnelbau wird heute anders geplant. Nicht nur der Tunnelbau an sich, sondern die technische Ausstattung mit modernsten Lüftungsanlagen verlangt umfassende technische Planung und Koordination. Es müssen viel mehr Projektunterlagen erarbeitet werden, und die Einhaltung von Normen und Vorschriften ist erheblich komplexer. Und auch das Management von Material und den Einflüssen durch die Baustelle hat an Umfang und Bedeutung zugenommen. Diese Koordination müssen Bauingenieur*innen übernehmen, weil die einzelnen Fachbereiche nicht in der Lage sind, sich selbst zu koordinieren.
Ihr erster Berufswunsch ist, Archäologin zu werden. Durch ihren Vater, einen Bauingenieur, wird ihr jedoch eine, wie sie sagt, alternative, sicherere Perspektive vor Augen geführt und sie entscheidet sich, Bauingenieurwesen an der ETH Zürich zu studieren. Die Tatsache, sich als Frau in einem sehr männerbesetzen Berufsfeld zu bewegen, ist während des Studiums für sie nicht wesentlich. Im Arbeitsleben stellt sich für sie jedoch die Frage, wie sie als Frau auftritt, wie sie mit dem vor allem äußerlich weiblichen Image umgeht. In der Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen erlebt sie, wie Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster sich vorteilhaft nutzen lassen.
Am Anfang der Zusammenarbeit muss man viel Selbstsicherheit aufbringen. Aber wenn man einmal verstanden hat, wie es funktioniert, finde ich, hat man als Frau mehr Freiheiten. Die Männer fühlen sich nicht zum Kräftemessen herausgefordert, und man kann viel besser zusammenarbeiten. Wenn man mit einer offenen Haltung in das Gespräch reingeht, wird einem mit Offenheit begegnet.
Mit 30 Jahren leitet sie bereits ein 800 Millionen Projekt, sie ist bekannt und akzeptiert. Kumpusch selbst merkt heute gar nicht mehr, dass sie nach wie vor fast immer als einzige Frau vertreten ist. Ihre Erfahrung mit Frauennetzwerken verläuft nicht nach ihren Vorstellungen. Die Gruppe, die sie erlebt, inspiriert sie nicht und ist ihr zu sehr auf organisatorische Fragen fixiert. Zudem findet sie eine Haltung vor, die ihr als zu abweisend und zu wenig offen für eine gute Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen vorkommt. Es komme aber genau darauf an, mit Offenheit in die Situationen hineinzugehen, um Möglichkeiten nutzen zu können, wie sie nochmals betont.
Anders als zunächst geplant, bekommt sie nach der Geburt ihres Sohnes die Gelegenheit, wieder zu 80 Prozent in den Beruf einzusteigen, was mit Unterstützung durch ihren Partner gelingt.
Der Staat und ich haben viel investiert in meine Ausbildung, ich fühle mich auch verpflichtet, mein Wissen anzuwenden und weiterzugeben, so ein Projekt zu führen. Ich habe etwas davon, die Gesellschaft hat etwas davon, und auch der Familie geht es gut damit.