Gabriele Henkens

Gabriele Henkens ist Geschäftsführerin der GSE Ingenieur-Gesellschaft mbH Saar, Enseleit und Partner in Berlin. Ihren ersten Abschluss machte sie 1983 als Betonwerkerin an der Betriebsberufsschule mit Abitur. Anschließend studierte sie von 1983 bis 1987 an der Ingenieurhochschule Cottbus und schloss als Diplomingenieurin für Bauwesen ab. Nach ihrer Tätigkeit als stellvertretende Abteilungsleiterin in der Tragwerksplanung, wechselte sie 1995 zur GSE Ingenieur-Gesellschaft mbH und verantwortete als Tragwerksplanerin neben zahlreichen anderen Projekten die Instandsetzung des Brandenburger Tors in Berlin. 2013 wird sie zur Geschäftsführerin ernannt. Mit ihrer fachlichen Expertise als Sachverständige für Bautenschutz und Bausanierung sowie Schäden an Gebäuden, widmet sie sich vor allem der historischen Bausubstanz. Sie ist Fachplanerin für Bauwerksinstandsetzung nach WTA und sachkundige Planerin für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen und sitzt dem Vertragsausschuss der Baukammer Berlin vor.

Das Projekt

Sanierung des Brandenburger Tors, Berlin

Das von 1789 bis 1793 nach Entwürfen von Carl Gotthard Langhans erbaute Brandenburger Tor musste in seinem Bestehen mehrfachen Restaurierungen unterzogen werden. Die letzte, umfassende Sanierung erfolgte von 2000 bis 2003. Das Tragwerk wurde bereits 1990 begutachtet. Die Schadensanalyse ergab drei maßgebliche Zeiträume der Entstehung: Fehler aus der Herstellungszeit, Schäden nach Entstehung der Berliner Kanalisation vor 1884 und Schäden aus dem Kampf um Berlin zum Ende des 2. Weltkrieges.

Das Tor ist in Längsrichtung nur unzureichend ausgesteift. Die von Langhans gewählte Art der Aussteifung mit Ankern in der Architravebene (Längs- und Querarchitrave mit einer darüberliegenden Holzbalkendecke) war nicht in der Lage alle Torwände zu aktivieren. Dies dokumentierte sich durch Risse in Querarchitraven. Zur Verbesserung der Stabilität wurden in der Architravebene zum einen in der Holzbalkendecke ein Druckglied und darüberliegend ein Stahlzugglied hergestellt. Zur gleichmäßigen Lasteinleitung der Horizontalkräfte aus den Giebelwänden in die Holzbalken wurden die drei mittleren Holzbalken durch Einbau von Diagonalen zu einem Fachwerk ausgebaut.

Das Bauwerk war zudem durch den Bau eines eiförmigen Abwasserkanals im Gründungsbereich in zwei Teile getrennt, was sich durch einen Scheitelriss im Tonnengewölbe unter der Quadriga darstellte. Durch die anderen Durchfahrten wurden weitere Rohrleitungen (z.B. Gasleitungen) verlegt. Der gemauerte Eikanal ist heute noch in Betrieb und konnte nicht umverlegt werden. Es wurde daher vorgesehen, die ausgebildete Fuge in Form des Risses und der Fundamentdurchtrennung zu belassen. Für den Nachweis des Lastabtrags wurden beide Fundamenthälften separat betrachtet und nachgewiesen. In den Nebendurchfahrten wurden die gestörten lastverteilenden Längsbankette saniert.

Es musste die schwer beschädigte Trommel der Säule 3 West vollständig ausgetauscht werden. Der im Bauwerk verbliebene Restquerschnitt betrug nur noch 10 Prozent der ursprünglichen Fläche. Der Austausch erfolgte über einen ertüchtigten Zwischenbauzustand und den Einbau von Stahlringen um Querzugspannungen aufzunehmen. Dann wurde die Trommel teilweise ausgebaut und durch Hydraulikpressen ersetzt. Durch leichte Überhöhung der Säule durch Pressen wurde die Trommel vollständig ausgebaut und stückweise durch die neuen Trommelteile ersetzt.

Das Projekt in Zahlen

Bauherr*in Stiftung Denkmalschutz Berlin GmbH
Architektur Carl Gotthard Langhans (1732-1808), erbaut 1789-1791
Bauzeit / Sanierung 2000-2003
Planung GSE Ingenieure GmbH, Saar, Enseleit und Partner
Projektleitung Gabriele Henkens

 

Porträt

Getarnter Ingenieurbau

Wer kann schon von sich behaupten, die Standsicherheit des Brandenburger Tores berechnet zu haben? Henkens begleitet die gesamte Sanierung und widmet sich vor allem der Standsicherheit.

Man muss sich mit der Geschichte des Brandenburger Tors beschäftigen. Und man muss sich mit dem Erbauer Langhans beschäftigen. Wie waren seine Gedankengänge? Warum traf er welche Entscheidungen? Das ist hochinteressant.

Henkens´ Berufsweg beginnt mit der praktischen Erfahrung im Bauhandwerk. Beeindruckt von den Transparentplänen, die ihre ältere Schwester nach Hause bringt, überlegt sie sich, Bauzeichnerin zu werden. Die Möglichkeiten, Abitur oder auch eine Ausbildung mit Abitur zu machen, sind jedoch begrenzt. Sie bekommt als Kind eines Ingenieurs keinen Ausbildungsplatz, so dass nur die Option bleibt, sich zur Betonwerkerin ausbilden zu lassen.

Mal einen Rüttler in der Hand gehabt und selber betoniert, selber geknüppert zu haben, ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Es schult die Vorstellungskraft und hilft zu überprüfen, ob das, was man rechnet, plausibel ist und überhaupt so eingebaut werden kann.

Studierende, die im Büro arbeiten, müssen bei ihr auch schon mal per Hand zeichnen und rechnen und gleich überprüfen, ob das Eisen überhaupt reinpasst. Sie vermisst das handwerkliche Wissen, die Erfahrung, die man nur auf der Baustelle bekommt und ebenso die Fähigkeit, Maßketten in Plänen sinnvoll aufzubauen. 1987 schließt Henkens ihr Studium in Cottbus ab und beginnt im Anschluss als Ingenieurin für Statik und Konstruktion in der VEB Projektierung des WBK Berlin zu arbeiten. Zu der Zeit hat sie bereits eine Tochter und bekommt bald darauf ihren Sohn. Dass sie auch als Mutter Vollzeit arbeitet ist für sie selbstverständlich. Henkens wird nach dem Mauerfall, noch als Angestellte des WBK Berlin, in das Ingenieurbüro Pape nach West-Berlin «ausgeliehen», pendelt nach Charlottenburg und arbeitet enorm viel, um, wie sie sagt, der Angst zu begegnen, nicht «Fuß zu fassen». Da sie im Büro Pape auch Statik machen möchte, nimmt sie die vorgesehene Zeichenarbeit an den Schal- und Bewehrungsplänen mit nach Hause und zeichnet daran bis in die Nacht hinein. Viel Zeit für die Familie bleibt in dieser Zeit nicht.

Die Förderungen und die Möglichkeiten, die sich Henkens mit Eintritt in das Büro GSE ab 1995 bieten, hat sie aktiv genutzt. 2013 wird sie zur Geschäftsführerin ernannt. Sie schaut heute selbst auf mögliche Nachfolger*innen, die immer in den eigenen Reihen gesucht werden, beobachtet, wer welches Potenzial hat und Interesse zeigt, und wer neben den primär fachlichen Qualitäten auch darüber hinaus, kaufmännisches Verständnis entwickelt. Dass man das als Frau selbstverständlich anstreben kann, dafür steht sie als Vorbild. 

 

Im Gespräch mit Gabriele Henkens