Anne Burghartz

Anne Katrin Burghartz schloss 2011 ihr Studium der Fachjournalistik mit einem Bachelor of Arts mit Schwerpunkt Wirtschaft/Politik ab und studierte anschließend von 2011 bis 2016 Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin. Als Werkstudentin sammelte sie Erfahrungen in der Projektsteuerung und Bauleitung. Ihre Abschlussarbeit schrieb sie im Ingenieurbüro schlaich bergermann partner und begann dort anschließend als Projektingenieurin in der Tragwerksplanung zu arbeiten. Sie arbeitet mit an dem Kunstprojekt des verstorbenen Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude zur Verhüllung des Arc de Triomphe in Paris und an der Entwicklung einer Carbon-Seilnetzfassade sowie an Versuchen zum Einsatz von Infraleichtbeton.

Das Projekt

Verhüllung des Arc de Triomphe

Bereits 1961 hatten Christo und Jeanne Claude die erste Idee zur Verhüllung des Arc de Triomphe in Paris. 60 Jahre später soll diese nun Realität werden. Schlaich bergermann partner hat für das Projekt ein Tragwerkskonzept entwickelt, das zum Ziel hat den blau-silbern schimmernden Verhüllungsstoff sowie die dicken roten Seile der Installation am Arc de Triomphe zu befestigen und gegen Windlasten zu sichern. Dafür wurde eine Unterkonstruktion aus Stahlfachwerken sowie einem Ring aus vorgespannten Stahlseilen entwickelt.

Die Vorgaben an das Tragwerk ergaben sich aus den Vorstellungen des Künstlers, die er in verschiedenen Zeichnungen entwickelte und den Anforderungen der Denkmalschutzbehörden, die darin bestanden, möglichst wenige, dauerhafte Veränderungen wie Bohrlöcher an dem Monument vorzunehmen. Zu den Grundlagenermittlungen gehörte zunächst eine exakte Vermessung des Bauwerkes, aus deren Daten ein digitales Modell für den weiteren Entwurfsprozess entwickelt wurde. Während der Ausführungsplanung wurden in enger Zusammenarbeit mit der Baufirma baufertige Details entwickelt. Zusätzlich wurde in einem Pariser Vorort ein Teil-Mock-Up des Triumphbogens im Maßstab 1:2 aufgebaut und verhüllt. Geplant ist die Verhüllung des Triumphbogens zwischen dem 18. September und dem 3. Oktober 2021.

Verfolgen Sie den Aufbau über die Live-Cam hier

Das Projekt in Zahlen

Bauherr*in CVJ Corporation (Christo und Jeanne-Claude)
Tragwerkskonzept sbp schlaich bergermann partner
Ort Paris, Frankreich
Zusammenarbeit blf büro für leichtbau, Wacker Windingenieure
Fertigstellung 09/2021
Zu verhüllende Fläche 14.000 m²
Gewerbefläche ca. 25.000 m²
Seillänge ca. 3.000 m

Das Projekt

Versuchsbau Atelierhaus Albert Oehlen, Südeifel

Das Künstleratelier Pavillon Albert Oehlen, benannt nach dem deutschen Künstler, wurde für eine private Bauherrin in der Südeifel mit der weltweit ersten Carbon-Seilnetzfassade geplant.

Die Fassade an der Südwestecke des Gebäudes verläuft über zwei Stockwerke und umfasst eine Fassadenfläche von rund 41 m². Die Verglasung besteht aus zweifachen Isolierglasscheiben, die rahmenlos zwischen zwei Scharen von vorgespannten Carbonzuggliedern befestigt sind. Die sehr schlanken Seile verschwinden in den 20 mm breiten Fugen zwischen den Scheiben. Sowohl die horizontalen als auch die vertikalen Fugen sind mit schwarzem Silikon verfüllt, welches neben der Abdichtung der Fassade auch die Kräfte von den Scheibenkanten auf die Carbonseile überträgt. Gleichzeitig wird so die Kunststoffmatrix, in die die Carbonfasern eingebettet sind, vor UV-Strahlung und mechanischen Einwirkungen geschützt. Ein Stahlrahmen, der die Glasfassade umrahmt, dient zur Befestigung der Carbonzugglieder. Der Sichtbeton des Gebäudes sollte als Infraleichtbeton ausgeführt werden, eine Art tragende Wärmedämmung, die seit über 10 Jahren an der TU Berlin erforscht wird. Der neuartige Beton ist so leicht, dass er im Wasser schwimmt. Bei ausreichender Wandstärke kann auf eine zusätzlichen Dämmschicht verzichtet werden, sodass eine monolithische Bauweise möglich wird.

Da sowohl Infraleichtbeton als auch Carbonseile in Deutschland noch keine zugelassenen Bauprodukte sind, wurden umfangreiche Versuche zum Tragverhalten durchgeführt. Zudem wurden Detailelemente wie der Knotenclip, der den Lastabtrag und die Montage in den Kreuzungspunkten der Carbonseile vereinfacht, entwickelt.

Das Projekt in Zahlen

Bauherrin Stiftung zur Förderung zeitgenössischer Kunst in Weidingen
Entwicklung des Tragwerkskonzepts sbp schlaich bergermann partner
Architektur Büro Enguita & Lasso de la Vega, Madrid
Fertigstellung keine Ausführung
 

Porträt

Kunst konstruieren

Burghartz´ Weg hin zu diesen außergewöhnlichen Projekten ist durch die Eltern nicht vorgezeichnet. Ihre Mutter ist studierte Biologin, der Vater im Journalismus und PR-Bereich tätig. Schon in der Schule jobbt Burghartz bei der lokalen Zeitung in der Sportredaktion und studiert an der Hochschule Bremen Journalismus. Nach der Hälfte des Studiums und aufgrund der Erfahrungen weiterer Praktika bei Zeitungen und einem Radiosender stört sie, dass man nie Zeit hat, den Themen wirklich auf den Grund zu gehen und sich tiefer mit ihnen auseinanderzusetzen. Dennoch schließt sie in Bremen ab und hängt ein weiteres Studium an, um Fachjournalistin zu werden. Da sie sich schon immer für Technik interessiert, beschließt sie, Bauingenieurwesen zu studieren, findet «durch Zufall genau das Richtige» und wird schließlich Bauingenieurin. Sie studiert an der TU Berlin und vertieft die Fachrichtung konstruktiver Ingenieurbau. Im Anschluss beginnt sie im Büro schlaich bergermann partner zu arbeiten und hat gleich zweimal die Möglichkeit, Projekte jenseits der bekannten Entwicklungsabläufe zu bearbeiten. Ganz besonders in Erinnerung bleibt Burghartz der Anfang der außergewöhnlichen Zusammenarbeit mit Christo. In den ersten Besprechungen können Christo und sein Team nicht sagen, was genau der Auftrag ist. Die Ingenieur*innen müssen sich langsam vortasten. Weder Besprechungen noch die Terminplanung verlaufen planmäßig.

Mit einem Künstler und seinen Mitarbeiter*innen ein solches Projekt auf die Beine zu stellen bedeutet, keine geregelten Leistungsphasen und genauen Planungsabläufe zu haben. Die Verhüllung des Pariser Triumphbogens ist technisch außerordentlich komplex. Zudem ist der Arc de Triomphe eines der großen Nationalheiligtümer der Franzosen. Beides zusammen stellt eine große und zugleich einzigartig spannende Herausforderung dar.

Sich als Frau in diesem männerdominierten Beruf zu bewegen, erlebt sie einerseits als Vorteil, weil man den Überraschungseffekt auf seiner Seite hat. Diese Aufmerksamkeit bietet durchaus eine Chance. Andererseits erfährt sie ebenso, dass man härter darum kämpfen muss, ernst genommen zu werden. Dazu gehört auch, sich mit den vorherrschenden, eher männlich geprägten Kommunikationsformen auseinanderzusetzen und Burghartz schließt nicht aus, dass man sich ein paar Sachen antrainieren muss. Zuversichtlich schaut sie auf die Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und entwirft für sich und ihre Generation eine klare Perspektive, die die Vielfalt an Lebensentwürfen und -realitäten mitdenkt.

Es geht nicht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern um die Vereinbarkeit von Privatleben und Karriere. Meine Generation, die jetzt beruflich am Start ist, hat eine ganz andere Vorstellung von dieser Work-Life-Balance als der Teil der Generation der 50- bis 60-jährigen, der es als selbstverständlich angesehen hat, sich für den Beruf aufzuopfern. Wir sind zwar genauso begeisterungsfähig, möchten aber zudem auch Zeit mit dem Partner, den Kindern oder mit unseren Hobbies verbringen und sehen es als normal an, wenn nicht nur Frauen, sondern auch Männer Elternzeit nehmen. Hier herrscht also ein kleiner Generationenkonflikt.

 

Im Gespräch mit Anne Burghartz