Anja Vehlow

Anja Vehlows Bildungsweg führte von der Ausbildung als Wirtschaftskauffrau über ein Studium zur Bauingenieurin in Leipzig zum Abschluss als Diplom Wirtschaftsingenieurin 1994 in Dresden. Nach Tätigkeit als Projektleiterin im Baugewerbe wechselte sie 2002 zur Deutschen Bahn und managet seitdem Großprojekte bei der DB Netz AG. Als Einstieg bei der Deutschen Bahn war sie als Projektingenieurin und Realisierungsmanagerin verantwortlich für Infrastrukturprojekte auf der Schnellfahrstrecke Berlin-München und übernahm die technische Teilprojektleitung des Streckenabschnittes Leipzig/Halle-Erfurt auf der Neubaustrecke Berlin-München. Sie leitete den Bürostandort für Ingenieurdienstleistungen in Leipzig bei der DB International GmbH und das Strategieprojekt «Tuning-wettbewerbsfähige Produktionskosten» bei der DB E+C GmbH Berlin. 2019 übernahm sie die Leitung bei der DB Netz AG für Großprojekte im Regionalbereich Ost, Portfolioprojekte, Leistungsphase 1 und 2. Sie verantwortet aktuell die Infrastrukturprojekte auf dem Korridor Leipzig nach Chemnitz.

Das Projekt

Die Unstrut-Talbrücke

Die Unstrut-Talrücke ist eine der sechs Brücken, die im Zuge der Neubaustrecke Erfurt–Halle/Leipzig (NBS) entstanden sind. Sie quert die Trasse nördlich der Gemeinden Karsdorf und Wetzendorf im weitläufigen Unstruttal.
Die Brücke ist gebaut als eine integrale Spannbeton-Hohlkastenbrücke aus sechs Durchlaufträgern mit vier Bögen in Form eines Sprengwerks und schlanken Pfeilerscheiben. Die Fahrbahnträger entstehen als Spannbetonüberbau abschnittsweise von den beiden Endpunkten, den Widerlagern her.
So genannte Vorschubgerüste arbeiten sich dabei taktweise über das Tal. Vorauseilend werden die Pfeiler und Bögen errichtet, auf die sich dann der fertige Überbau stützt.

Die Fahrbahn verläuft auf hintereinander liegenden fugen- und lagerlosen Stahlbeton-Trägern. An deren Enden wird die Temperaturverformung durch spezielle Vorrichtungen aufgenommen.
In der Mitte von vier 580 Meter langen Trägern stützt sich die Konstruktion auf große Stahlbetonbögen in Form eines umgedrehten V mit einer Spannweite von 108 Metern. Die Bögen sind im Scheitelbereich fest mit den Trägern verbunden. In Querrichtung teilt und spreizt sich der Bogen. Dadurch erhält er eine große Stabilität in alle Richtungen. Neben den grazilen Bögen entstehen 41 ebenso schlanke Pfeiler, die eine Regelstützweite von 58 Metern ermöglichen. Die Widerlager, Pfeiler und Bögen werden tief im anstehenden Buntsandstein gegründet. Die Fundamente ruhen meist auf so genannten Großbohrpfählen aus Beton, die in bis zu 40 Metern Tiefe reichen. Zur Dämpfung der Zuggeräusche erhält die Fahrbahn durchgehend eine Schalldämmmatte unter den Gleisen. Zusätzlich werden die Ortschaften Wetzendorf und Karsdorf im Süden durch eine Schallschutzwand abgeschirmt.

Das Projekt in Zahlen

Bauwerkslänge 2.668 m
Bogenstützweiten 108 m
Maximale Höhe 49 m (Fahrbahn über Talgrund)
Regelbreite 13,95 m bis 15,93 m im östlichen Teil
Bauhöhe 5,69 m (mit fester Fahrbahn)

Porträt

Möglichkeiten gestalten

Ängste nehmen, Möglichkeiten aufzeigen und immer vorwärtsschauen. Das ist der Job von Anja Vehlow auf den Punkt gebracht. Sie verantwortet für die DB Netz AG die Technik von Infrastruktur-Großprojekten wie beispielsweise die Talbrücken auf der Schnellfahrstrecke von Leipzig nach Erfurt. Dabei geht ihre Arbeit weit über das Ingenieurwesen hinaus und dann auch genau dahin zurück. Ihr begegnen diverse Interessen und deren Vertreter*innen, angefangen von der Politik auf Bundes- und Landesebene über zahlreiche Stakeholder bis hin zu den betroffenen Bürger*innen, denen sie allen die komplexen technischen Abhängigkeiten verständlich darlegen muss. Ihre Erfahrungen und Ihre Kompetenz bringt sie nun als aktives Jurymitglied für den Deutschen Brückenbaupreis als Vertreterin der Deutschen Bahn ein. «Das ist eine sehr wertschätzende Anerkennung meiner Leistungen in den letzten Jahren für den Brückenbau bei der DB», bekennt Vehlow.

Auslöser zu ihrer Berufsentscheidung ist ihr Vater, der als Bauingenieur große Bauvorhaben im Zuge des Uranabbaus in der Region Zwickau Ronneburg zu verantworten hatte. Während ihrer Ausbildung als Wirtschaftskauffrau im Bau und Montagebetrieb Ronneburg entwickelt sie vor allem Interesse an den technischen Aufgabengebieten. Etwas anderes als ein Studium zur Bauingenieurin kommt folgend nicht in Betracht. «Hätten mir meine Eltern allerdings freie Hand gelassen, wäre ich gerne Köchin bei der Handelsmarine geworden. Das wurde allerdings schnell abmoderiert», erzählt sie augenzwinkernd.


Ich habe mich nie gefragt, warum machst du das als Frau, warum wählst du diesen Beruf in dieser Männerdomäne, diese Diskussion wurde auch gar nicht geführt. Es gab Professorinnen gerade in der Technologie und Statik, so dass man nicht meinte, man ist hier als Frau allein unterwegs.

 

Nach dem Studium beginnt sie in einem mittelständischen Unternehmen und erhält viel Unterstützung durch ihren Chef «der auf Frauenpower setzt». Er ermöglicht ihr, alle Etappen einer klassischen Karriere in der Baufirma sukzessiv zu durchlaufen, was sie aktiv nutzt und heute als richtigen Weg bewertet, um das Baugeschäft kennenzulernen.

Vehlow bestätigt, dass Frauen mehr leisten müssen, um beruflich weiter zu kommen und beschreibt beispielhaft die Situation, in der ein Mann, der die Auswahl zwischen einem Bewerber und einer Bewerberin hat, sich für den Mann entscheidet, denn so Vehlow: «Der Mann ist cool, die Frau leistet wahnsinnig viel, die ist aber nicht so wie er.»

Gefragt nach Vorbildern, erinnert sich Vehlow an Prof. Dr.-Ing. Katharina Klemt-Albert, die heute das Institut für Baumanagement und Digitales Bauen an der Leibniz Universität Hannover leitet. Bei DB International war Klemt-Albert Geschäftsführerin und hat gezielt Frauen gefördert, Sisterhood gelebt. «Sie hat das gemacht und es war gut zu sehen, die beißt sich da durch, also musst du dich auch da durchbeißen.»

Junge Ingenieurinnen müssen sich anschauen, wie agiert sie, wie entscheidet sie, wie führt sie, wie lebt sie auch in den ganzen Strukturen, wie kommt sie damit zurecht. Sie sollten sich über Kontakte ein Netzwerk aufbauen, so gelingt Sisterhood.

Im DB Konzern soll bis 2024 eine Frauenquote von 30 Prozent bei Führungspositionen umgesetzt werden. Die Quote findet sie richtig und wichtig, da es nur so geht.

Vehlow beschreibt sich selbst als sehr spontanen Menschen, sie wägt nicht ab, sondern sagt sich, ich schaffe das. Diese Vorgehensweise empfiehlt sie nicht uneingeschränkt, denn ein Abwägen der richtigen Schritte kann wichtig sein. Dabei ist auch Scheitern erlaubt und eine gute Vorgesetzte oder ein guter Vorgesetzter nötig, die helfen, nach einem Misserfolg weiterzumachen. Sie findet es wichtig, ehrlich und transparent zu zeigen, was möglich aber auch schwierig sein kann.