Sukanya Duraisamy

Sukanya Salem Duraisamy studierte Bauingenieurwesen an der Anna University in Chennai und am Indian Institute for Technology in Neu-Dehli. Sie kam 2011 als DAAD Stipendiatin an die TU Braunschweig und erhielt ihren Masterabschluss 2012. Im Anschluss daran war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Stahlbau und am Institut für Flugzeugbau und Leichtbau beschäftigt. Seit 2014 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin am Institut für Architektur, Fachgebiet Tragwerksentwurf und -konstruktion und lehrte Tragwerksvertiefung. Sie hat an vier Design-Build Projekten in Bolivien, Deutschland und Indien als Tragwerksplanerin und Projektmanagerin mitgewirkt. In ihrer laufenden Forschungsarbeit widmet sie sich dem Thema Doppelfassaden als passive Schwingungsdämpfer in Hochhäusern. Seit 2020 arbeitet sie bei der RPB Rueckert GmbH als Tragwerksplanerin.

Das Projekt

Agronomie-Campus Bella Vista, Bolivien

Das Fachgebiet Entwerfen und Baukonstruktion von Prof. Pasel hat auf Einladung mit der Fundación Cristo Vive Bolivia und mit 40 Architekturstudierende der TU Berlin einen Agronomie-Campus bestehend aus Schule und Internatsgebäude in Bella Vista entworfen und realisiert. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der örtlichen Universidad Mayor de San Simón, Cochabamba und einem Expertenteam für Erneuerbare Energien der Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Ulf Blieske, sowie der lokalen Frauenkooperative Procasha, die Frauen im Baugewerbe ausbildet, entwickelt.

Die Schule
Die Gebäudestruktur setzt sich aus drei gleichen, massiven Volumen zusammen, die von offenen überdachten Zwischenzonen geteilt werden. Die Übergangszonen erschließen und beleuchten die Räume indirekt und ermöglichen ein Zusammenschaltung der jeweils angrenzenden Räume. Den oberen Abschluss bildet ein in der Höhe gestaffeltes Sheddach. Es ist als Holzkonstruktion ausgebildet und mit einer doppelten Lage Wellblech gedeckt. Im nördlichsten Volumen sind Sekretariat und Dozentenraum untergebracht, nach Süden folgen drei Klassenräume. Den Abschluss bildet der Geräteraum. Die kleinen Nebenräume im Inneren der Module beinhalten besondere Funktionen wie Labor, Archiv und Technikraum. In diversen Nischen werden im Ostteil Trockentoiletten untergebracht. Im Westen bieten die Nischen Raum für Sitzbänke mit Blick auf das Feld.

Das Internat
Der Grundriss ist in drei Zonen aufgeteilt: den unterteilbaren Wohn- und Gemeinschaftsbereich, den platzabgewandten Schlaftrakt mit seinem privaten Innenhof und den Nebenräumen mit den Bädern, der Abstellkammer, der Technik und den Schränken. Je nach Tätigkeit können die Bereiche flexibel kombiniert und genutzt werden. Die vor- und zurückspringende Außenwand erlaubt funktionale Nischen für die jeweiligen Tätigkeiten. Die Öffnungen in der Fassade erhöhen tagsüber die solaren Energieerträge und sorgen somit für ein mildes Raumklima am Abend. Das isolierte Dach faltet sich zu einem Oberlicht für eine weitere, natürliche Lichtquelle im Gebäudeinneren. Die Außenwände sind einschalig und 39 cm stark, die hofeinfassenden Wände 49 cm stark. Die Ziegel wurden für das Projekt als Handformstein in der örtlichen Ziegelei mit dem Sonderformat 19 × 9 × 5 cm hergestellt.

Quelle: Institut für Architektur Entwerfen und Baukonstruktion, Prof. Ralf Pasel, TU Berlin

Das Projekt in Zahlen

Bauherrschaft Fundación Cristo Vive Bolivia
Ort Bella Vista, Cochabamba, Bolivien
Architektur Prof. Ralf Pasel, Entwerfen und Baukonstruktion, TU Berlin
Tragwerksplanung Prof. Klaus Rückert, WM Sukanya Duraisamy, Tragwerksentwicklung und -konstruktion, TU Berlin
Fertigstellung 2018

Das Projekt

Building Cycle Infozentrale

Die Building Cycle Infozentrale ist ein von Studierenden der TU Berlin geplantes pavillonartiges Gebäude auf dem Areal der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln. Das Projekt wurde vom Fachgebiet Roswag-Klinge (Natural Building Lab) am Institut für Architektur der TU Berlin initiiert.

Unterkonstruktion
Die Stützenfüße des Pavillons sind mit Bolzen mit der Betondecke des unter ihm liegenden Gärkellers verbunden. Die darin verankerten Kreuzstützen aus neuem Holz sind aus fünf Einzelteilen zusammengesetzt und über ihre gesamte Länge mit Gewindestangen, Muttern und Unterlegscheiben in einem Abstand von 30 cm zweiachsig verbolzt. Der Anschluss zum Dach wird mit vier, in die Stütze eingeleimten Gewindestangen ausgeführt. Der Trägerrost lagert auf der kompletten Querschnittsfläche der Stütze auf. Die Kreuzform ermöglicht einen größeren Widerstandsmoment und damit mehr Widerstandsfähigkeit bei geringerer Querschnittsfläche. Für die Unterkonstruktion des Bodens wurden die Altholzbalken auf ein Maß von 8 × 10 cm aufbereitet. Die anfallenden Holzspäne wurden als Dämmung zwischen den Balken eingebracht. Die Balken wurden doppelt mit 15 mm dicken OSB-Platten beplankt.

Dachtragwerk und Wände
Für das fast 100 m² Holzstapelrost-Dach wurden Holzlamellen mit 6/11 cm kreuzweise in acht Schichten gestapelt. Die gewählte Dachkonstruktion aus abwechselnd in beide Richtungen gestapelten Holzbrettern geht auf eine Erfindung von Julius Natterer zurück. Aus gestalterischen Gesichtspunkten erfolgte beim Pavillon Trägerrost eine Minimierung der Füllhölzer und ein gevouteter Einbau der einzelnen Lamellen, d.h. die Trägerhöhe nimmt zur Feldmitte hin zu. Der Stapelrost besteht aus je acht Gurten, die unterschiedlich in beide Richtungen abgestuft sind. Die Höhe des Rostes wächst Richtung Hauptbeanspruchung und bildet entsprechend seine Momentenlinie ab. Die Holzlamellenscharen sind an den Knotenpunkten über Bolzen verbunden und bilden so einen statisch wirksamen Gesamtträger. Die sich überlagernden Lamellenschichten werden mit M20 Gewindestangen, zwei Muttern und zwei Unterlegescheiben verbunden. Zwischen den Schichten befinden sich zudem sieben Bulldogverbinder, um das System zu verstärken und horizontale Schubkräfte aufzunehmen. Um die großen Spannweiten mit dem zur Verfügung stehenden Altholz zu überwinden, wurden die Längen mit mehreren Lamellen überwunden, die an ihren Stößen mit Laschen verbunden wurden. Die Laschen wurden ober- und unterhalb des Stoßes an beiden Holzlamellen mit M16 Gewindestangen, zwei Muttern und zwei Unterlegscheiben verbunden. In jedem Knotenpunkt des Trägerrosts befinden sich ebenfalls M16 Gewindestangen. Die Wände wurden aus komprimierten Pappkartons gefertigt, die mit Plakaten und später mit einer zusätzlichen Außenhaut aus Seekiefer-Schalungsplatten verkleidet wurden.

 

Das Projekt in Zahlen

Architektur Building Cycle Collective / Natural Building Lab
Tragwerk / Konstruktion Fachgebiet für Tragwerksentwurf und-konstruktion, TU Berlin, M. Tech Sukanya Salem Duraisamy
Gebäudetechnik Fachgebiet für Gebäudetechnik TU Berlin
BGF 99 m²
Baujahr 2018–2019

Porträt

Nachhaltig unterstützen

Die Arbeit an den Design Build-Projekten fordert Sukanya Duraisamy in ganz anderer Weise heraus, als sie es nach dem Abschluss ihres Masters erwartet. Sie bearbeitet keine spektakulären, aufregenden Projekte, wie sie es sich im Studium vorgestellt hat, sondern kleine, mit wenigen Mitteln finanzierte Bauvorhaben, die von Studierenden mit geplant und gebaut werden. Sie trägt als junge Bauingenieurin alleine die Verantwortung für die statischen Berechnungen und lernt mit den Unwägbarkeiten auf der Baustelle umzugehen.

Ich habe in den Projekten wahrscheinlich sehr viel mehr in sehr kurzer Zeit gelernt als bei einer klassischen Bürotätigkeit. Die großen und komplizierten Projekte im Büro laufen nach bestimmten Mustern ab, und es gibt viele Beteiligte. Hier war alles neu und experimentell, und ich war als einzige Ansprechpartnerin und Verantwortliche viel umfassender gefordert.

Als Sukanya Duraisamy sich entscheidet, Bauingenieurwesen zu studieren, reagiert man in ihrem Umfeld sehr skeptisch, und der Gedanke an die Arbeit auf einer Baustelle ruft seitens ihrer Familie große Bedenken hervor. Ihr Entschluss bedeutet von nun an, sich nicht nur mit gesellschaftlichen Konventionen oder mit den Ängsten ihrer Familie auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem Druck, immer sehr gute Leistungen erbringen zu müssen, die ihr die jeweils nächsten Schritte ermöglichen.

Ihre Familie rechnet damit, dass sie einen Bachelor macht und denkt, dass sie als Frau damit ausreichend ausgebildet ist, um zu heiraten. Aber Duraisamy will weiter studieren. Sie bewirbt sich am Indian Institut of Technology in Neu-Dehli für Structural Engineering – Tragwerksplanung Statik und Dynamik.

Wir wurden im Studium als Frauen als sehr fragil angesehen, unfähig den Betonklotz für den Kompressionstest selbst zu heben. Aber gleichzeitig waren wir auch einfach nur gleichwertige Konkurrentinnen in einem sehr ehrgeizigen Wettstreit um gute Noten. Wir standen alle unter dem gleichen, sehr hohen Druck. Da wollte man als Frau auf keinen Fall Schwäche zeigen.

Die nächste Entscheidung, ins Ausland zu gehen ruft dann schließlich keine Widerstände mehr hervor. Sie erhält ein Stipendium und geht zunächst an die TU Braunschweig und wechselt anschließend an die TU Berlin.

Duraisamy empfindet die Entwicklung der Frauen, die in Indien im Bauingenieurwesen Fuß fassen, ermutigend. Allerdings weiß sie, dass von vielen Frauen auch gleichzeitig erwartet wird, ihre Berufstätigkeit zugunsten der Familienarbeit aufzugeben. Sie hat das Glück, dass ihr Partner ihre Ambitionen voll unterstützt und sehr flexibel mit seiner eigenen Karriereplanung auf ihren Wechsel nach Deutschland reagiert und sie begleitet. Viele Männer brauchen ein Update in Sachen Arbeitsteilung, meint Duraisamy, und sie empfiehlt ihren Freundinnen, sich einen Mann zu suchen, der dieses Update bereits hat, sie sollten nicht versuchen, eines bei ihm zu installieren. Sie wünscht sich zudem Rolemodels, die auch von den Schwierigkeiten auf ihrem Karriereweg erzählen, die berichten, wie sie mit den unterschiedlichen Anforderungen umgehen und die ihr signalisieren, dass es nicht um Perfektionismus geht.

 

Im Gespräch mit Sukanya Duraisamy