Schon länger diskutierten wir intensiv darüber, dass das Ingenieurwesen nicht genügend gewürdigt wird. Von ansprechenden Bauwerken sind in der Regel die Architekt*innen bekannt, jedoch wer hinter den Ingenieurleistungen steht, wird meist nicht einmal erwähnt.
Als sich das Berliner Architektinnen & Planerinnen Netzwerk (n-ails) dazu entschied, das Festival Women in Architecture, Berlin 2021 zu veranstalten, sind wir auf diesen Zug aufgesprungen und haben es als unsere Aufgabe gesehen, hier den Ingenieurinnen die angemessene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wir wollten sie sichtbar machen, dadurch Vorbilder schaffen und ein Selbstverständnis herstellen.
Wir standen vor vielen inhaltlichen Fragen: Welche Persönlichkeiten wollen wir zeigen? Wollen Ingenieurinnen auch über ihre persönlichen Erfahrungen sprechen? Welches Spektrum an Bauwerken können wir abbilden? Wie können wir die Frauen hinter den Projekten so darstellen, dass sie als Vorbilder gesehen werden?
Auf unserer «Suche» trafen wir beeindruckende Frauen, die nicht nur fachlich Herausragendes leisten, sondern uns auch durch ihre unterschiedlichsten Ansichten und Erfahrungen begeisterten. Dies führte dazu, dass wir zwölf Ingenieurinnen fanden, die das weite Feld des Bauingenieurwesens abbilden können — vom Brückenbau zum Tiefbau, von Projektmanagement zur Tragwerksplanung u.v.m. Die Auswahl der Protagonistinnen entstand mit subjektivem Blick, aus persönlichen Interessen und eigener Begeisterung heraus und ist doch in gewisser Weise repräsentativ, sie zeigt die Breite des Berufsfeldes und die Unterschiedlichkeit der Frauen, die ihn ergriffen haben.
Wir fanden, dass wir das Projekt nicht einfach auf die Größe der Ausstellung beschränken sollten. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, eine Internet-Präsenz aufzubauen und somit die Möglichkeit zu schaffen, weitere spannende Porträts und Projekte zu zeigen.
Mit Queens of Structure haben wir womöglich einen provokativen Titel gewählt. Von Frauen wird oft behauptet, dass sie Teamplayerinnen sind und im Hintergrund bleiben. Beides keine Eigenschaften, die man mit Königinnen in Verbindung bringt. Häufig sind Ingenieurinnen allerdings die einzigen Frauen im Team, die einzige Bauingenieurin in einem Bekanntenkreis, sie werden als Vorbilder betrachtet und stehen im Rampenlicht, ob sie wollen oder nicht. In der Ausstellung richten wir den Fokus auf sie und machen sie zu Queens.
Die großartigen Ingenieurinnen, die wir für unsere Ausstellung gewinnen konnten, sind Vorbilder. Aber es gibt noch viele mehr! Es ist normal geworden, als Bauingenieurin zu arbeiten. Das gefällt uns sehr.
Nach einem Abstecher in das Studium der Betriebswirtschaft studierte Birgit Hartwig Bauingenieurwesen an der FH Bielefeld und schloss mit dem Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau ab. 1995 begann sie ihren Berufsweg als Bauingenieurin im Ingenieurbüro BGS Ingenieursozietät in Berlin (später dann Grontmij Deutschland) und bearbeitete dort zum Beispiel das Hotel Esplanade inklusive Kaisersaal. Heute arbeitet sie im Ingenieurbüro Löschmann + Schneider. Birgit Hartwig hat eine Tochter und lebt in Berlin.
Im Anschluss an ihre sportlichen Erfolge als Fußballspielerin u. a. beim Bundesligisten Turbine Potsdam, studierte Nicole Parlow Bauingenieurswesen an der FH Potsdam. Sie schloss ihr Studium 2009 ab und begann als Mitarbeiterin im Ingenieurbüro für Tragwerksplanung Dr.-Ing. Christian Müller GmbH in Berlin. Sie betreute neben diversen Neubauvorhaben viele Umbauprojekte wie beispielsweise den Umbau des ehemaligen Urbankrankenhauses in Berlin-Kreuzberg. 2019 übernahm sie die Position der Geschäftsführenden Gesellschafterin im Büro. Ehrenamtlich engagiert sie sich als Mitglied in der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte, ist Pflichtmitglied der Baukammer Berlin und kooptiertes Vorstandsmitglied im Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e.V. Nicole Parlow ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Berlin.
Die gebürtige Berlinerin studierte Architektur an der TU Berlin. Nach ihrem Studium arbeitete sie mehrere Jahre in verschiedenen Architekturbüros, war in der Projektsteuerung tätig und wickelte sowohl kleine als auch große Bauvorhaben ab. In der Folge machte sie sich selbständig und studierte neben ihrer Berufstätigkeit Bauingenieurwesen an der TU Dresden. Seit 2018 ist sie in der Projektleitung für das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) tätig. Anath Wolff interessiert sich für Grundlagen der Mechanik und lebt in Berlin.
Ihr Studium des Bauingenieurwesens mit den Vertiefungsrichtungen Konstruktion und Grundbau schloss Nicole Zahner 1993 an der ETH Zürich mit dem Diplom ab. Nach einer kurzen Tätigkeit bei einem mittelständischen Bauunternehmer in Berlin, leitete sie stellvertretend die Abteilung Brückenbau bei der Emch + Berger AG. Von 1998 bis 2003 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin für Tragwerksentwurf und Konstruktion an der Architekturfakultät der TU Berlin. In dieser Zeit begann sie selbständig, Tragwerke zu planen und gründete ihr eigenes Büro. Sie entwickelt Tragstrukturen für unterschiedlichste Werke, vom Garderobenhaken bis zum Hochhaus. Zahlreiche Projekte, an denen sie beteiligt war, wurden mit Preisen ausgezeichnet. Nicole Zahner hat drei Kinder und lebt in Berlin.